A Star (2002)
An Actor (2006)

:: gedanken zum keramiktrickfilmprojekt "a star" ::

gideon koval - 2001

:: empfehlung des autors ::
:: weiche bleistifte ::
:: motivation ::
:: das dilettantische experiment ::
:: das professionelle experiment ::
:: ueber stars und idole ::
:: geraeusche und deren ortung ::
:: technisches ::
:: danke fuers lesen ::

 

:: empfehlung des autors ::

diese analytische arbeit beinhaltet ueberlegungen zu unterhaltungsphaenomaenen und soll nicht die situation des filmpublikums von "a star" behandeln. es wird empfohlen sich weder beim lesen dieser arbeit den filminhalt vorzustellen, noch beim erstmaligen konsum des films nach bezugspunkten zur schriftlichen arbeit zu suchen.


:: weiche bleistifte ::

beim zeichnen den entstehenden strich zu beobachten, zu verfolgen, wie sich eine weiche bleistiftspitze am papier abreibt und eine spur zieht, hatte immer schon eine derartige
faszination fuer mich, dass ich meistens das ziel vergass, das ich mir beim strichansatz am papier gesteckt hatte.
solcher materialfetischismus ist die ursache krankender inhalte. ob nun ein journalist nur um des tippens willen einen zeitungsartikel verfasst oder ein maler der konsistenz seiner farben alle aufmerksamkeit zukommen laesst. doch ist es nicht von der hand zu weisen, dass eine gewisse neigung zum material grundvoraussetzung fuer eine auseinandersetzung mit diesem ist. das wesentliche ist die thematik eines projekts, also kann zu starke materialbezogenheit die vermittlungsqualitaet der inhalte gefaehrden.
ein beispiel fuer einen unter beobachtung der bleistiftmine geschriebenen absatz zum thema "der ton kommt aus dem sack":
"um an den ton im sack heranzukommen, muss man in den sack hinein, nicht als ganze
person, aber mindestens mit einem kleinen anteil dieser. meist werden die saecke grob gekoepft, mit einem, in einer keramikwerkstatt ueblichen, stumpfen messer, das einem
abfetzen der zugebundenen sackoeffnung gleichkommt."
man kann sich auf diese weise sehr schnell vom kern einer geschichte entfernen, verleiht dieser aber gleichzeitig charakter.


:: motivation ::

ich bin bei meinen arbeiten staendig auf der suche nach hinweisen auf persoenliche stilmerkmale. das auffaelligste: die ergebnisse sind meist recht weit von meinen ansaetzen entfernt. fertige projekte kann ich mir ansehen, sie unterhalten mich und erinnern mich meist an die entstehung der arbeit. das entscheidende an den meisten projekten ist fuer mich das erlebnis der umsetzung. ich versuche also, den noch nicht fertiggedachten gedanken, dessen verzweigte auswuechse welten aufbauen und einstuerzen lassen, zu vermitteln. der ton ist ein material, das sich aus einem scheinbar versteinerten stadium nahezu gedankenschnell verformen laesst und zur kontrolle dreidimensionale zwischenergebnisse als ausdruck des denkprozesses auswirft.


:: das dilettantische experiment ::

sobald ein spielzeug ausprobiert ist, muss sofort das naechste herhalten.

ein kind wuerde aber nicht ein neues spielzeugauto (vorausgesetzt das interesse des kindes wurde geweckt) einfach bewegen und stehen lassen um zum naechsten ueberzugehen. die primaere eigenschaft der verschiebbarkeit wird nicht als erkenntnis gewertet, weil das verschieben unterbewusst passiert. schon bei der ersten beruehrung rollt das auto in eine richtung davon, also eine gegebenheit, die erst durch den versuch des kontrollierten verschiebens zum experiment wird. das auto muss zuerst auf seine qualitaeten ueberprueft werden. sollten sich die tueren oeffnen lassen, muss dies zumindest einmal ausprobiert werden. handelt es sich um ein lastauto, ist die erforschung von belastungsgrenzen meist unumgaenglich. die bis dahin unverdorbene materialbehandlung bringt bereits einen lernprozess mit sich, der ein ausreichendes gefuehl fuer einen spaeteren gezielten einsatz des materials vermittelt (beispielsweise das gefuehl fuer die wurfeigenschaften von spielzeugautos). der gezielte einsatz der erfahrung aus dilettantischen experimenten ergibt den professionellen charakter von experimenten, bei denen bewusst rezeptorientierte arbeitsablaeufe vermieden werden.

:: das professionelle experiment ::

die qualitaet von produkten, die der philosophie einer unverdorbenen materialbehandlung entspringen, ist eigentlich nicht nach produktspezifischen formalkriterien zu beurteilen, sondern ausschliesslich nach talent. es geht bei meinem arbeitsansatz aber nicht darum experimentelle stadien zu ergebnissen zu machen. vielmehr bietet sich dabei die moeglichkeit, materialien/medien alternativ einzusetzen und zu nutzen.

experimente fuehren zu einer vielzahl von erwarteten oder ueberraschenden ergebnissen, eines davon macht das experiment zum gelungenen. wenn man nun die misslungenen experimentalen phasen analysiert, ergeben sich neue ergebnisansprueche. literarische, musikalische, zwei-, drei- oder mehrdimensionale werke werden erst durch das einhalten bestimmter kriterien zu einer komposition. bei naeherer betrachtung einer "verhauten"
komposition kann man darin neue kompositorische qualitaeten entdecken und diese einem
publikum vermitteln.

wenn charlie chaplin stolpert, ist das ein allgemeines stolpern, man lacht ueber das dargestellte missgeschick. dieses stolpern transportiert nicht das gefuehl des misslingens eines versuches, er war ja schliesslich profistolperer. es geht mir aber nicht darum, das tatsaechliche stolpern, sondern den misslungenen darstellungsversuch zu vermitteln. jede/r kennt dieses gefuehl, weil jede/r auf dem steinigen weg zur kompetenten handhabung diverser situationen opfer ihrer/seiner inkompetenz wird. genau aus diesem grund haben fehler einen so hohen unterhaltungswert. [bezug zur vermittelbarkeit von inhalten ueber wiedererkennbare elemente; siehe unten]

:: ueber stars und idole ::

jeder/m ist es vergoennt, fiktiven applaus fuer eine gelungene performance vor erdachtem publikum zu empfangen. es bleibt kindern vorbehalten, diese vorstellung voll auszukosten und aus dieser anerkennung der eigenen darbietung kraft zu schoepfen. erwachsene stellen den anspruch des tatsaechlichen, akustisch messbaren zuspruchs, was die gefahr der moeglichen enttaeuschung birgt, weil das ausmass der begeisterung nicht immer den eigenen erwartungen entspricht.
bei einem wirklichen auftritt vor einem realen auditorium ist es niemandem zu wuenschen, dass sie/er das publikum nicht erreicht, nicht verstanden wird, oder gar negative reaktionen (buuuuh) erhaelt. der filmfigur ist der applaus gesichert, weil sie ueberzeugt ist, die fiktive fangemeinde begeistert zu haben. die kindliche faehigkeit, sich selbst zu unterhalten, ist bei "a star" der draht zum filmpublikum.

das publikum setzt sich aus einer grossen menge von "stars" zusammen, deren qualitaeten in den unterschiedlichsten bereichen zu finden sind. was einen tatsaechlichen star aus dieser masse hervorhebt, ist der idolcharakter dieser person. die bewunderung einer/s einzelnen, die/der es schafft, ihr/sein kunststueck einer oeffentlichkeit preiszugeben, und der wunsch, es ihm/ihr gleichzutun, sind der geist der fangemeinde. je unbewusster die ursache fuer die kraft eines idols ist, desto groesser wird das ausmass der verehrung durch die fans, desto
gottgleicher wird der star.

der groesste bilder-, melodien- und geraeuschespeicher ist nicht etwa die 60 gb festplatte, sondern das eigene gehirn, das nahezu alles behaelt, was jemals bewusst oder unbewusst gespeichert wurde. je mehr bekanntes und wiedererkennbares in einem projekt stattfindet, umso reibungsloser gestaltet sich die vermittlung der projektinhalte. die einfachste moeglichkeit fuer musiker ein publikum zu erreichen ist sogenannte "covers" zu spielen. die assoziation mit einem im gehirn gespeicherten positiven oder negativen akustischen eindruck bringt den musiker dem publikum um eine gemeinsamkeit naeher (auch wenn es sich um ganz unterschiedliche erinnerungen handelt).


:: geraeusche und deren ortung ::

bei der vertonung eines trickfilms ist es sekundaer, ob ein geraeusch durch behandlung des zu sehenden materials entsteht, oder ob es durch mit dem material akustisch assoziierbare behandlung eines anderen materials hervorgerufen wird. entscheidend ist seine zuordenbarkeit. oft ergibt ein durch originalmaterialbehandlung hervorgerufenes geraeusch keine ausreichende akustische affinitaet zum visuellen. so bleibt einem nur die imitation der materialbehandlung mittels behandlung anderer materialien.
man darf hoeren, dass das aufklatschen des tonmaennchens auf dem tonfussboden mittels klatschen einer hand auf ein nacktes koerperteil synchronisiert wurde, so lange dieses ge-raeusch nicht sofort ein komplett anderes bild erzeugt. um irritationen zu vermeiden, muss das hoerbare primaer der akustischen qualitaet des sichtbaren entsprechen. bei geschlossenen augen ist es aber auch moeglich, den geraeuschen andere materialien zuzuordnen.
fehlgeschlagene experimente mit geraeuschen rufen "falsche" assoziationen hervor, die jedoch eine filmszene um neue aspekte bereichern koennen.
wenn zum beispiel im film ein auto vorbeirollt und akustisch ein zug vorbeifaehrt, glaubt man, das auto nicht zu hoeren, weil der zug (im bild nicht sichtbar) so laut vorbeifaehrt. der versuch, das motorgeraeusch des autos mit dem eines zuges darzustellen, ist gescheitert. der film ist aber um ein bild reicher geworden, um einen effekt, der das raumgefuehl im film mitbestimmt.


:: technisches ::

die schnittstelle zwischen modellieren und einzelbildaufnahme via eingabe ueber computertastatur wurde waehrend meiner arbeit zur metapher fuer den uebergang zwischen realem und virtuellem. was man spaeter im film sehen kann, ist die bewegungsabfolge realer
plastischer prozesse, waehrend die illusion einer vom material ausgehenden kinetischen energie durch virtuelle prozesse entsteht.
die temporaere erstarrung mittels einzelbildaufnahmen kann als alternative brennmethode verstanden werden. der virtuelle brennofen dient hier der konservierung prozesshafter keramik.

eine festplatte diente als digitales speichermedium fuer die zur entstehung eines trickfilms erforderlichen einzelbilder. die digitale fotographie ermoeglichte die direkte digitale weiterverarbeitung ohne umwege ueber entwicklerlabors. der direkteste weg von der kamera zur festplatte (um auf videobaender verzichten zu koennen) ist eine tv-karte mit videoeingang (zum fernsehen am pc). die so erzielte live-uebertragung am bildschirm liess das abspeichern und die permanente kontrolle der bilder zu. der pc, die kamera und noch ein bis zwei baustellenfluter ergaben das ganze technische equipment des temporaeren filmstudios.
zwischen filmstudio und tonstudio lag der langwierige weg des schneidens. nachdem alle einzelbilder zu einem film geworden waren, wechselte das ganze datenpaket vom videoschnittprogramm in ein audioprogramm.
da tonstaub trotz namensgleichheit im tonstudio nichts verloren hat, war ich gezwungen unkeramischen gegenstaenden die akustische qualitaet von keramik zu entlocken, was aber den film um oben genannte neue raeumliche qualitaeten bereicherte (geraeusche und deren ortung).

diese vorgehensweise unterscheidet "a star" von den meisten anderen trickfilmen. waehrend ueblicherweise ein exaktes storyboard grundvoraussetzung fuer gutes timing und optimale vermittlung der inhalte ist, zuerst die tonspur und dann die bilder geschnitten werden, wich ich in meinem projekt bereits nach den ersten 200 bildern vom ohnehin sehr grob gefassten drehbuch ab und vertonte das visuelle ergebnis im nachhinein.

abschliessend wurde der film vom computer aus in die digitalkamera ueberspielt, in der nun ausnahmsweise ein videoband steckte.


:: danke fuers lesen ::

zweimal zum selben urlaubsort zu fahren, weil man sich dort schon auskennt, ist der drang nach professionalitaet. das naechste mal machen wirs besser. meistens wundert man sich dann, dass es nie wieder so schoen war wie beim ersten mal. das erste mal ist einfach nicht wiederholbar.